Dienstag, 13. Januar 2015

Die Diagnose

Über meine Halbschwester erhielt ich damals den Tipp eventuell ein Lipödem zu haben. Ihre Bekannte leidet unter dieser Krankheit und wir würden uns, was das betrifft, sehr ähnlich sehen. Mit ihrer Bekannten telefonierte ich darauf hin ein paar Mal und sie rat mir zu einem Angiologen/Phlebologen zu gehen. Also musste ich erstmal einen solchen Arzt finden.

Na toll – ich kannte das Wort noch nicht einmal, geschweige denn was das heißt, und sollte nun einen solchen Arzt finden. Also Google an und los gings. Prompt wurde mir eine Klinik in Darmstadt vorgeschlagen – der Haken – Darmstadt liegt nicht nur 4 Autostunden entfernt, sondern für die Diagnose hätte man gleich ein hübsches Sümmchen berappen sollen. Hallo?! Das schied definitiv erstmal für mich aus – warum schon Geld für die Meinung eines Arztes bezahlen?!

Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich erfuhr, dass im Kreiskrankenhaus bei uns genauso ein „Angiologe“ sitzt. Also Termin vereinbart und drei Monate gewartet…wie solls auch anders sein :/

Endlich, der Tag war gekommen wo ich hoffentlich nun eine klare Aussage bekommen würde, was mit mir los ist. Ich weiß noch genau, wie nervös ich im Wartebereich saß bis ich aufgerufen wurde. Der große Mann im weißen Kittel begrüßte mich freundlich und meinte direkt „Bitte ziehen Sie ihre Hose aus, obwohl, brauchen sie eigentlich nicht, ich sehe es auch so schon!“ 

Rums, das hat gesessen. Wie kann man etwas durch die Hose schon so sehen? Ist es so eindeutig? Warum haben dann die Ärzte vorher nie etwas bemerkt oder gar erwähnt? Ich lag erst wenige Monate vorher in diesem Krankenhaus, es wäre doch ein leichtes gewesen den Arzt mich begutachten zu lassen…meine Gedanken kreisten während ich die Hose und die Jacke auszog.

Foto: Christian Liebich

„Ganz klassisches Lipödem“ – wow, das hat erneut gesessen. Er hat es gesagt - Ich hab ein Lipödem.

Mit gezielten Bewegungen drückte er auf einzelne Punkte auf meinem Schienbein und der Schmerz schoss durch meinen ganzen Körper. Ich hätte heulen können so weh tat es.

Er stellte eine Frage nach der nächsten; viele, wie „Haben Sie immer so viele blaue Flecken?“ konnte ich immer mit "Ja!" beantworten. Ich habe mir dabei nie etwas gedacht, da ich mich öfters Stoße, einen Schmetterball beim Badminton abbekomme oder mich kräftig mit meinem Hund raufe. Nur gelegentlich konnte ich mir einige nicht erklären, habe es aber nie hinterfragt.

Eine Lösung warum ich seit wenigen Jahren auch kein Inlineskating und auch kein Schlittschuh mehr fahren konnte hatte ich nie, die gab er mir nun aber. Die Schuhe drücken nämlich genau auf jenen Punkt, wo er gedrückt hat, sodass man das Gefühl hat tausend Nadeln durchstechen den Körper.

Mit einem Ultraschallgerät untersuchte er dann den Venenfluss. Am Ende war die Diagnose klar – Lipo-Lymphödem. Durch das Jahre lange nicht behandeln des Lipödems – wie auch, wenn man nicht weiß, dass man darunter leidet - hat sich bereits zusätzlich Wasser eingelagert - Lymphödem.

Na, was kann ich denn dafür wenn es vorher niemand erwähnt. Ich hab schließlich nicht Medizin studiert und dafür wird man nun doppelt bestraft.


Foto: Christian Liebich




Gut erkennbar ist, dass die Hände und Füße nicht betroffen sind und sich das Lipödem wie ein Kragen  darüber verbreitet;
symmetrisch und säulenartig.
Das typische Doppelkinn ist auch schon erkennbar.










Eine zweiwöchige Entstauungskur, Kompressionsbekleidung Klasse 3, zweimal wöchentlich Lymphdrainage, Lymphkoffer, Ernährungsumstellung auf Metabolic Balance, Gewichtsreduzierung, OP…er ratterte den Behandlungsplan nur so runter und ich? 

Ich habe maßlos direkt vor ihm geheult. Ich war geschockt – all die Jahre das zu erleiden. Wie viel Leid und Hänseleien hätte man verhindern können, wenn man viel eher diese Diagnose erhalten hätte?! Wie viel Ärzte hatte ich aufgesucht und alle meinten nur ich solle weniger Essen und mehr Sport machen. Ich war so unfassbar wütend und dann ergriff mich die Panik als ich realisierte was er sagte – mein junges freies unbeschwertes Leben hatte auf einen Schlag einen Riegel vorgesetzt bekommen. Nur noch Therapie, Therapie, Therapie. 

Wie hypnotisiert bin ich aus der Praxis gegangen mit einer Hand voller Rezepte und Verordnungen. Na das kann was werden…